Montag, 20. März 2006
Nächster Halt: Tal der Schlümpfe
Letztes Wochenende war der erste sonnige Sonntag seit meiner Ankunft. Grund genug, einmal das Rad aus dem Keller zu holen und die nähere Gegend zu erkunden. Lässt sich alles ziemlich vielversprechend an. Weitläufige Föhrenwälder, gutes Wegenetz (das wahrscheinlich sogar benutzbar ist, wenn der Schnee erst einmal geschmolzen ist) und für einen Bilderbuchsonntag erfreulich wenige Zweibeiner im Wald. Ich fuhr also so vor mich hin. Der Matsch spritzte, die Zweibeiner sprangen vom Weg, dass es eine Freude war und es versprach ein wirklich schöner, sonntäglicher Sonntag zu werden. Aber es ist eine fremde und seltsame Welt, wahrlich. Denn nachdem ein gutes Stück Weg hinter mir lag, lichtete sich der Wald und die südlichen Ausläufer einer Stadt glitzerten im Licht der Spätwintersonne. Mir bot sich ein fantastischer Anblick.

Lange, breite Boulevards, die - nur hin und wieder befahren - durch schier endlos erscheinende Mietskasernenzeilen führten. Dazwischen die Grassteppen des öffentlichen Wohnungsbaus und stille Kinderspielplätze mit ihren blau-roten Klettergerüst-Totems. Die ganze Szene seltsam menschenleer, aber alles sauber und ordentlich. Die Fassaden der vier- oder fünfstöckigen Mietshäuser, gestrichen in dem unvermeidlichen Pastellgelb, wirkten, als seien sie einem Stadtteileröffnungsprospekt vom Mai 1961 entsprungen. Dies, die Ruhe der Stadt, die im völligen Kontrast zu den überdimensionierten Straßen stand, die kindergeschreifreien Spielplätze zusammen mit dem immer pastelligeren Licht der Nachmittagssone ließ die Szenerie wie nicht von dieser Welt erscheinen. War ich noch in Franken? Oder schon in der Anderswelt? Und wenn ja (egal welches ja): Macht das einen Unterschied? Hatte ich hier eine Aventiure zu bestehen? Gab es irgendwelche Jungfrauen zu retten? Oder war das nur ein Virtual Reality Test der fränkischen Einwanderungsbehörde? Das waren meine Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, während der Rest von mir offenen Mundes durch dieses Mies-van-der-Rohe-Wunderland fuhr. Ehrlich gesagt: Die Antwort kenne ich auch jetzt noch nicht.

Denn wenn auch die Architektur und das Ambiente nicht aus unserer Zeit waren, so waren sie doch noch von dieser Welt. Von den Einwohnern konnte man das nicht sagen. Jedenfalls jene, die ich schließlich am Ende der Straße erblickte. Drei Gestalten, den Rücken mir zugewandt, schlurften dort entlang. Auf den ersten Blick konnte ich nicht genau erkennen, wie groß sie waren. Irgendetwas mit ihren Proportionen schien nicht ganz zu stimmen. Entweder hatte der Hund, den sie an einer Leine bei sich führten, die Ausmaße eines Kalbes oder die drei Männlein waren zwergenwüchsig. Dass keines von beiden zutraf, merkte ich erst beim Näherkommen. Weder sie noch ihr Boxerrüde waren über die Maßen mutiert. Vielmehr verlieh ihre kauernde Haltung ihnen eine gnomenhafte Aura. Zusammen mit den faltigen, viel zu groß geratenen Hosen und den weißen Häubchen ihrer Kapuzenpullover erinnerten sie mich irgendwie an meine Kindheit. Ich bremste und fragte: "Heda, ihr lustigen Gesellen. Könnt ihr mir wohl sagen, welch Fluch auf diesem seltsamen Landstrich lastet, dass kein Mensch - weder Magd noch Knecht - zu sehen ist?" Die drei drehten sich mürrisch um. Und als der Anführer meine Frage mit einem genuschelten: "Jomassafagga. Dissismaihud. Eimdamassafaggingpimphia. Woddajawondmassafagga?" beantwortete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich war bei den Schlümpfen gelandet. Die Kleidung, die Kapuzen, die simplifizierte Grammatik, dazu die durch chronisches Klebstoffschnüffeln zyanotische Haut. Auch fiel, wie ich mir die drei Gesellen so besah, die Vorstellung nicht schwer, dass sich hinter ihnen drei kleine, weiße Stummelschwänzchen verbargen. Und sagte der Wortführer nicht, er sei der Pimp? Für mich klang das ganz nach der fränkischen Variante des bekannteren "Schlumpfs". Da mir die Feinheiten der lokalen Schlumpfsprache noch unklar waren, versuchte ich es mit einer klassischen Ich-Tarzan-Du-irgendwas-Eröffnung: "Jomazzafakka, ich pimp, du pimp, alle pimp. Allmechd un Dunnakail. Iä säids jo Schlimpfä."

Das aber war ein Fehler. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden. Vielleicht hätte ich mich auch mit meinem angelesenen Fränkisch aus Ulis Sprachführer zurückhalten sollen. Auf jeden Fall lief mein Konversationspartner schlagartig tiefblau an und schrie los: "Eimdapimp. Eimdapimp. Ganz alaa i bin da Pimp dou." Immerhin waren seine Kollegen so freundlich, sich einer allgemeiner verständlichen Sprache zu bedienen, indem sie diverse Schlagwerkzeuge aus den Tiefen ihrer Hosen hervorzogen. Auch wenn ich eigentlich noch gerne im Schlumpfland geblieben wäre, war das dann doch das Zeichen zum Aufbruch. Und während die Schlümpfe, oder vielmehr die Pimps, mir noch einige Abschiedsworte hinterher riefen und ihr Köter mich bellend begleitete, blieb die verzauberte Siedlung hinter mir zurück und der Wald nahm mich schützend wieder auf.

Im Nachhinein betrachtet hatte ich wahrscheinlich einfach das Pech, an drei Griesgramschlümpfe geraten zu sein. Vielleicht sollte mich beim nächsten Besuch zuerst an den Oberschlumpf wenden und ihm Grüße von der Außenwelt überbringen. Bis es aber soweit ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Denn vorher brauche ich eine zuverlässige Übersetzung von "Bringt mich zu euerm Anführer, ihr Mutterficker" auf Pimpisch.

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Pimp? Pimp? Pimp!
Jetzt mußte ich die ganze Zeit überlegen. Pimp. Ich bin den Pimps schon mal begegnet. Nachts. Im Dunkeln. Im Fernsehen. Auf MTV. Mein lieber childerich, du hast Dich da mit den ganz Großen angelegt. Wahrscheinlich hast Du ihre Brutstätte entdeckt, von wo aus die ganzen Gangsta Hüpfer ihren Weg durch die Welt machen. Die globalisierte Welt, den globalen Globus praktisch.
Und ihr Anführer, der nicht Anführer, sondern "Pimp Master of Ceremonies" (O-Ton MTV http://www.mtv.de/pimpmyride/) heißt, heißt Xzibit. Das passt doch zu Deiner Geschichte. Jetzt müssen wir nur noch rausfinden, was sie mit "Pimp mai raid" im Fränkischen Original meinen.

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