Mittwoch, 14. Juni 2006
Flagge zeigen
Mal angenommen, man hätte mich 1989 eingefroren und heute aufgetaut: Mich würde es frösteln.

Überall Fahnen. Zu 98 % in schwarz-rot-gold, der Rest eher italienisch-mediterran gehalten. Was mag bloß passiert sein? Denn in diesem Gedankenspiel wäre die letzte deutsche Fahne im Eingang des Café Normal als Fußabstreifer gelegen. Wohlgemerkt: ich beobachte das lediglich als virtuell Zeitreisender - ohne Wertung. Nun aber hängen aus jedem Fenster Fahnen in unterschiedlichster Ausführung. Von der billigen polyester-dunkel-rötlich-gelben Variante bis hin zum edlen 10m-Leinenbanner, wie es in Langenzenn aus dem zweiten Stock herabhing. Auf den Straßen dazu Autos von Otto Normalbürgern, die sich aus unerfindlichen Gründen im diplomatischen Dienst wähnen. Oder warum sonst kurven 200er D Mercedesse mit Doppelwimpeln durch die Gegend? Sehr seltsam, das Ganze. Irgendetwas muss sich in den vergangenen 17 Jahren (zefix, echt schon wieder so lange her?) grundlegend geändert haben.

Wahrscheinlich käme ich - das Gedankenspiel immer noch weiterspinnend - irgendwann doch darauf, dass es offenbar mit einem aus Lederflicken genähten runden Objekt und zweimal elf Männern in unbequem wirkenden Schuhen zu tun hat. Und mit einer seltsamen Mischung aus Gastfreundschaft und unbedingtem Siegeswillen. Ich vermute, so würde ich es verstehen. Ohne es wirklich zu verstehen.

Denn der Nörgler im Hinterkopf würde sich mit Sicherheit bald zu Wort melden und darauf hinweisen, dass wir im 20. Jahrhundert eigentlich immer mordsmäßig eins auf die Lapp' bekommen haben, wenn aus Privatwohnungen im Übermaß die Staatsfarben zum Lüften ausgehängt wurden. Wie gesagt: der Nörgler in mir. Ich mag ihn selbst nicht besonders. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Die Fußball-WM werden wir wohl verlieren.

Bitte komme mir jetzt niemand damit, dass andere Nationen das ähnlich exzessiv, aber wesentlich selbstverständlicher handhaben würden. Zugegeben, die USA sind uns einiges voraus, was das Flagge zeigen betrifft. Aber mal ehrlich: Was verstehen die schon von Fußball? Ein bisschen anders sieht es da schon bei den Schweizern aus. Auch eine Flaggennation vor dem Herrn. Nur ein wenig dezenter als in Übersee, aber doch schon ein ganz anderes Kickerkaliber.

Eigentlich kann man daraus nur einen Schluss ziehen: Brasilianische Flaggen müssen her. In Massen. Sicherheitshalber auch noch ein paar Tausend tschechische als Notfallreserve. Ich bin überzeugt: Wir hätten eine Chance.

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Freitag, 9. Juni 2006
Als der Ministerpräsident meinen Parkplatz stahl
Neulich hätte ich dem Stoiber eine schmieren können. Im übertragenen Sinne sowieso; diesmal aber auch ausnahmsweise ganz real. Denn der Schbrichbeidl hat mir meinen Parkplatz geklaut.

Angefangen hat alles damit, dass die kleinere der beiden Städte hier jetzt auch Universitätsstadt ist. Die echte Universitätsstadt (die dritte im Bunde der zwei) liegt angeblich noch weiter im Norden. Bestätigen kann ich das nicht, da ich mich so weit noch nicht vorgetraut habe. Gewöhnlich gut unterrichtete Quellen bestätigten aber mehrfach, dass nördlich der Pegnitz die Zivilisation nicht schlagartig ende. Allerdings scheinen die Leut dort oben platzmäßig allmählich an ihre Grenzen zu stoßen. Sie müssen daher Teile Denkfabriken nach Süden auslagern. So kam es dann, dass das Zentralinstitut für neue Materialien und Prozesse direkt am Südufer der Pegnitz angesiedelt wurde. Keine Frage: Ein wichtiges Ereignis für unsere kleine Stadt. Und wichtige Ereignisse ziehen bekanntermaßen auch Politiker magisch an.

Nachdem unser Landesvater in den letzten Monaten wiederholt durch verbalakrobatische Kapriolen vom rapiden Transrapid bis zum Problembär aufgefallen war, dachte er sich wohl, hier etwas Boden gutmachen zu können. Dagegen ist nichts einzuwenden. Eigentlich. Wenn Edmund meint, uns seine Glückwünsche überbringen zu müssen, dann ist er herzlich willkommen. Aber musste er dafür gleich meinen Parkplatz klauen? Immerhin wurden wir bereits eine Woche vorher aufgefordert, am besagten Einweihungstag den Parkplatz aus sicherheitstechnischen Gründen nicht zu benutzen. Zuerst dachte ich ja noch, man wolle uns vor der Redegewalt des Mannes schützen. Als dann aber Feuerwehr und Katastrophenschutz bereits an Vortag Stellung bezogen, kamen erste Zweifel auf. Mal ehrlich: So verheerend sind seine Reden dann auch nicht. Erst als ein Aufgebot von Bepos mit Spiegeln den Unterbodenschutz vermeintlich herrenloser Autos auf dem Parkplatz überprüften, dämmerte es mir, dass es nicht um unseren Schutz ging. Ok, schon beleidigt.

Nichtsdestotrotz parkte ich als staatstreues Individualelement am Veranstaltungstag weit abseits und machte mich zu Fuß auf zur Stätte meines Wirkens. Bereits nach wenigen Metern stieß ich auf die Ausläufer eines zunehmenden Polizeiaufgebots. Meine stählerne Thermoskanne mit Tee verbarg ich sicherheitshalber jedoch unter meiner Jacke. Kein Parkplatz ist eine Sache. Die prophylaktische Sprengung eines Liters Second Flush Darjeelings dagegen eine ganz andere. Ich ging also gebückt - und vermutlich ziemlich grimmigen Blicks - meines Weges, der mich über den gesperrten Parkplatz führte. Plötzlich stand dann - keine zehn Meter entfernt - Edmund da. Abgeschirmt von zwei Dutzend Polizisten. Und hinter ihm ein Hubschrauber. Nicht etwa auf meinem Parkplatz, sondern mitten auf der Zufahrt. Das war zuviel.

Ich opfere gerne meinen Parkplatz, wenn es dem Protokoll dient. Wenn er dann aber nicht einmal benötigt wird und der ministerpräsidiale Pilot in einer Weise parkt, für die unsereins zwanzig Knöllchen auf einmal kassieren würde, ist es mit der Staatsraison schlagartig zu Ende. Kurz und gut: Ich bekam einen ziemlichen Hals und überlegte, ob ich Edmund nicht zur Rede stellen sollte und meine in seinen Augen sicher nicht stichhaltige Argumentation durch eine ordentliche Watsch'n unterstreichen sollte. Letzten Endes war es dann die angespannte finanzielle Situation des Freistaates, die mich davon abhielt. Wer das jetzt nicht versteht, der erkundige sich bei dem Waffendealer seiner Wahl nach dem Tageskurs für 9 mm Parabellum-Geschosse. Denn von diesen hätte mein Körper im Rahmen der angedachten Diskussion dem Staatshaushalt sicher ein gutes Dutzend entzogen. Eine Option, die nicht im Interesse irgendeines Beteiligten gewesen wäre. Von der zerschossenen Thermoskanne Tee ganz zu schweigen. Ich ging also brav gebückt an der versammelten Society vorbei, grummelte in Gedanken wüste Flüche vor mich hin und ärgerte mich darüber, dass manche eben doch gleicher parken dürfen als andere.

Nennt mich ein Weichei. Nennt mich überempfindlich. Von mir aus nennt mich sogar einen deutschen Parkplatzspießer. Aber genau das sind die Sachen, die auch nach zweihundert Jahren immer noch dazu gführen, dass wir Franken nicht bereit sind, uns mit der neuen bayerischen Herrschaft abzufinden. Wenn ein demokratisch gewählter Ministerpräsident erst einen Parkplatz reserviert und dann sein Hubschrauberpilot ganz woanders landet - das ist es, was selbst aus einem schwäbischstämmigen Oberbayern im fränkischen Exil einen überzeugten Separatisten macht. Allmächd, zefix und bluadige Hennakepf!

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Dienstag, 11. April 2006
Es brennt
Es sind die kleinen Dinge, an denen man merkt, dass man allmählich alt wir. Feueralarm ist so eine Sache. Früher, in der Grundschule, was war das für eine spannende Angelegenheit. Die Glocke schrillte und die Lehrerin machte ein wichtig-ernstes Gesicht: „Alles liegen lassen, in Zweierreihen aufstellen und nichts wie raus hier!“ Cool, die Schule brennt. Jahre, bevor Extrabreit daraus eine Hymne machte, malte ich mir aus, wie es denn nun weiterginge. Nie wieder Mathe, Werken oder Sachkunde. Stattdessen endlich frei sein. Vielleicht müsste man sich noch vormittags im Pausenhof treffen, aber zumindest könnte man die Zeit dann mit wichtigeren Dingen totschlagen. Quartett zum Beispiel. Leopard I, 65 km/h? Ach komm, den mach ich doch mit meiner Kawasaki Z1 platt. Tja, beim Feueralarm lernte man damals noch was fürs Leben. Und aus kleinen Dreikäsehochs wurden mit einem Schlag echte Männer. Bloß meinen ferrariroten Pelikan-Füller, den hab ich immer heimlich in die Hosentasche gesteckt. Von wegen alles liegen lassen. Was weiß so eine Lehrerin schon von den wahren Werten im Leben?

Aber heute. Da ist ein Feueralarm doch nur noch lästig. Letzten Freitag etwa. Ich saß an meinem Schreibtisch, vor mir dampfte der Kaffee und ich sortierte mir die Jobs für den heutigen Tag. Nebenan im Raucherzimmer werden die ersten Zigaretten angesteckt ... und schon wird dieser friedliche Morgen mit 85 dB Schalldruck in Fetzen gerissen. Die Kollegen und ich schauen uns erst einmal ratlos an, zucken mit den Schultern und machen weiter. Nach rund fünf Minuten kommt jemand ins Zimmer und meint, es wäre vielleicht doch sinnvoll, das Gebäude zu verlassen. Falls die Jobs es zulassen. Das tun sie eigentlich nie, aber anderseits sind diese modernen Feuermelder akustisch deutlich unangenehmer als das heimelige Bimmeln damals in der Grundschule. Ein Großteil der Mannschaft versammelt sich schließlich vor dem Gebäude. Während wir ein bisschen ratlos auf dem Bürgersteig rumstehen, zünde ich mir eine Fluppe an. In dem Moment kommt auch schon die Feuerwehr angerast. Gar nicht schlecht. Zwei Löschzüge, ein PKW, ein Kleinlaster. Der Oberbrandmeister springt raus und stürmt an uns vorbei ins Gebäude. Der Rest der Mannschaft schaut mir derweil missbilligend beim Rauchen zu. Die glauben doch wohl nicht, dass ich...? Oder doch? Als dann eine Minute später auch noch die Polizei, natürlich ebenfalls mit Lalülala, angerast kommt, lasse ich die Kippe unauffällig fallen und tue so, als ginge mich das ganze nichts an. Tut es ja auch nicht. Denn schuld für den Fehlalarm (dass es einer war, wussten irgendwie alle – Feuerwehr inklusive – von Anfang an) war der wie immer viel zu empfindlich eingestellte Melder im Raucherzimmer. Die beiden Streifenwagen der Polizei rücken dann auch gleich wieder ab. Ob zum Leberkässemmelholen oder zu einem Einsatz, weiß ich nicht. Auf jeden Fall bieten sie eine gute Show mit Blaulicht, Sirene und quietschenden Reifen. Die Jungs von der Feuerwehr wollen da nicht nachstehen und macht sich in die entgegengesetzte Richtung, aber mit einer durchaus vergleichbaren Lightshow, auf den Weg. Meine Texterkollegen nutzen die Situation und fachsimpeln mit dem Hausmeister noch ein bisschen über die Vor- und Nachteile verschiedener Brandmeldesysteme. Klar, die haben ja auch gerade einige Broschüren für einen bekannten Hersteller in der Mache. Ich zünde mir derweil noch ein Zigarette an und überlege, wo eigentlich meine alten Quartettspiele abgeblieben sind. Vielleicht sollte ich sie mal wieder rauskramen. Nur so für den Fall der Fälle. Als wir schließlich wieder alle an die Arbeit gehen, kommt auch noch ein Trupp Sanis an. Die stehen ein bisschen verloren rum und machen sich schnell wieder vom Acker. Anders als ihre Kollegen von der Blaulichtfraktion ohne die gebotenen Special Effects. Na ja, die sahen irgendwie auch mehr nach Oberpfälzern aus.

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Donnerstag, 6. April 2006
Der große Bahnhof
Da hat er mich inspiriert, der childerich. Am Wochenende hab ich mich mit einem Kumpel in Hof getroffen. Der Kumpel wohnt in Berlin, und da hat es sich angeboten. Jedem seine eine Hälfte durch Deutschland, eine Annäherung von Norden und Süden sozusagen.
Allein die Anreise wäre schon ein Blog wert, aber wenn’ s hier schon um Franken geht, dann zählt natürlich nur der Hofer Tag. Kaum zu glauben, dass hier auch mal kulturelle Großkampfveranstaltungen stattfinden. Im Grenzlandbahnhof fahren die ICEs des kleinen Mannes, die Regional Expressos ein, die so heißen, wie die Kaffeehaferl mit Sprühsahne hier überall heißen, und die Station ist schon der letzte Halt für verlorene Seelen. Was bewiesen wird im Bahnhofsgastrobereich.
Natürlich tut man Hof damit unrecht, solche Bahnhöfe findet man auch in Bebra, Wassertrudingen, Komsomolensk, aber die Wirkung ist doch immer die gleiche: Depression bei Ankunft.
Naja, wir haben uns nicht lange aufgehalten zwischen den Heiligen der letzten Tage und den ersten Frühlingsknospen und sind direkt ins Hotel, dem besten am Platz, nämlich am Maxplatz. Die schlecht geschminkte oder doch ein wenig kränkelnde Hotelsbesitzerin mit der glücklichen Haut einer gerade vergangengen Gelbsucht hat uns natürlich unumwunden sofort für schwul gehalten, worauf wir ihr die Bilder unserer Kinder gezeigt haben, was sie nicht davon abgehalten hat, augenzwinkernd unsere 'Arbeitsbeziehung' zu kommentieren. Aber im weltläufigen Hof ist das ja alles kein Problem.
Wir haben uns dann doch für Einzelzimmer entschieden, die einzeln und schwarz abgerechnet ganz günstig hergingen. Und die Einrichtung war auch ok, ich hab zumindest schon andere Stile gesehen. In der Slowakei zum Beispiel, als der Pförtner im Schloß sich in eine Fledermaus verwandelt hat und nie mehr gesehen wurde. Aber – andere Geschichte.
Und befreit von der Last des eigenen Gepäcks haben wir Hof City erkundet. Samstag nachmittags das blühende Leben in blühender Zonenrandlage, und man sieht allenthalben die Strukturfördermittel, die in der Vorwendezeit, als es praktisch noch vorwärts ging, in die Bastion am großen europäischen Zaun gepumpt wurden. Nein, wieder unrecht. Die Fußgängerzone ist ein nettes Stück Nachkriegsaltstadt mit allen Geschäften, die man so brauchen kann. Sehr wichtig Ulla Popken für die sportlichen Damen ab Größe 42 und die Mercur Spielothek. Es gibt viel Bier und Eis, hübsche Mädels, und der Frühling zeigt sich von der schönsten, weil winterbrechenden Seite. Wir suchen das Kneipenviertel, soviel Kultur macht durstig, und wir wollen uns mit den Einheimischen verbrüdern, gemeinsam Bier und die letzte Silbe verschlucken, bis das R nicht mehr gerollt wird und die Satzmelodie aus dem Fragen nicht mehr herauskommt.
Wir werden fündig im Bermuda-Dreieck zwischen der Esco-Bar (haha), dem Cafe, dessen Namen man augenblicklich vergisst und dem Alten Bahnhof, in dem wir uns nicht nur wegen des Anfangs der Geschichte sofort wohlfühlen. Die Einheimischen sind uns um drei schon locker vier Gläser voraus, was jetzt angesichts der Sprache schwer, am Laufverhalten aber leicht festzustellen ist, und wir bemühen uns schnell aufzuholen, um beim Billard möglichst umumwunden einen schönen Faustkampf anzuzetteln. Gelingt uns nicht, denn unsere Gegner liegen müde auf dem Tisch, und die achtjährige Tochter der Wirtin malt lustige Zeichen in deren Gesichter.
Wir werden auch langsam müde und vor allem hungrig, beschließen, nicht im Alten Bahnhof alte Pizza zu bestellen und gehen zurück ins Hotel, um unsere charmante Nierenkranke nach den leckersten hausmännischen Speisen hier in der Gegend zu fragen.
Hier um die Ecke sei die Tiroler Wurstnudelskihüttn, da gibt’s suppa Brettla, oder für’s Schnitzel sollten wir doch ins rote Ross, das sei das älteste Lokal am Ort und außerdem was richtigs zum Saddessn.
Die Wurstnudelhüttn hatte leider geschlossene Gesellschaft, aber das rote Ross lag nur knapp am anderen Stadtflügel, marschierbar, was gut für Kopf und Hunger ist.
Tür auf. Depression. Der undefinierbar alte Kellner schießt auf uns zu, sagt, dass es ganz schwer sei, weil ab halb acht wird’s hier immer recht voll (wir sind mit dem Kellner drei im Lokal), aber er findet noch eine Ecke für uns, wenn wir unbedingt wollen. Das rote Ross ist Teil des Schnitzelparadies (Chemitz, Dessau, Plauen, Hof), und wir wollen, weil wir unbedingt was trinken müssen. Ein Siebenminutenpils, sechs Minuten Warten, eine Minuten Einschenken, haha. Danke Kellner, wir schenken gleich gerne zurück. Ziemlich feste. Und bitte dann gleich noch eins.
Die Schnitzelauswahl ist famos, vierzig von Schnitzel Hawaii bis zum falschen Schnitzel, mit Salat. Wir hoffen, wir kriegen einen echten alten Beilagensalat mit Bohnen, Karotten (geraspelt), roter Beete und Krautsalat, werden aber enttäuscht. Das Essen ist sogar ganz ok. Der dicke Bauch muß mit ein paar Pils (nein, bitte, den Witz hatten wir vorher schon) gepflegt werden. Und relativ früh, erschöpft vom Hofer Tag machen wir uns auf den Heimweg.
Kurz überlegen wir uns auf einen Absacker ins Big Ben zu ziehen, ein Tipp meines verbeamteten Schwagers, aber wir geben auf, weil uns keiner von denen, die wir auf der Straße treffen, so richtig verstehen will. Am nächsten Morgen, den ich wie gewohnt um 6:40 Uhr beginne, beschließen wir, auf dem Weg zu childerich die wunderschöne und wundersame B173 über Kronach (das wir nicht so recht finden, obwohl wir durchgefahren sein müssen) und Bamberg entlang zu cruisen. Und mit dieser Strecke kann man dann auch ganz leicht wieder mit Franken versöhnt werden.

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Montag, 20. März 2006
Nächster Halt: Tal der Schlümpfe
Letztes Wochenende war der erste sonnige Sonntag seit meiner Ankunft. Grund genug, einmal das Rad aus dem Keller zu holen und die nähere Gegend zu erkunden. Lässt sich alles ziemlich vielversprechend an. Weitläufige Föhrenwälder, gutes Wegenetz (das wahrscheinlich sogar benutzbar ist, wenn der Schnee erst einmal geschmolzen ist) und für einen Bilderbuchsonntag erfreulich wenige Zweibeiner im Wald. Ich fuhr also so vor mich hin. Der Matsch spritzte, die Zweibeiner sprangen vom Weg, dass es eine Freude war und es versprach ein wirklich schöner, sonntäglicher Sonntag zu werden. Aber es ist eine fremde und seltsame Welt, wahrlich. Denn nachdem ein gutes Stück Weg hinter mir lag, lichtete sich der Wald und die südlichen Ausläufer einer Stadt glitzerten im Licht der Spätwintersonne. Mir bot sich ein fantastischer Anblick.

Lange, breite Boulevards, die - nur hin und wieder befahren - durch schier endlos erscheinende Mietskasernenzeilen führten. Dazwischen die Grassteppen des öffentlichen Wohnungsbaus und stille Kinderspielplätze mit ihren blau-roten Klettergerüst-Totems. Die ganze Szene seltsam menschenleer, aber alles sauber und ordentlich. Die Fassaden der vier- oder fünfstöckigen Mietshäuser, gestrichen in dem unvermeidlichen Pastellgelb, wirkten, als seien sie einem Stadtteileröffnungsprospekt vom Mai 1961 entsprungen. Dies, die Ruhe der Stadt, die im völligen Kontrast zu den überdimensionierten Straßen stand, die kindergeschreifreien Spielplätze zusammen mit dem immer pastelligeren Licht der Nachmittagssone ließ die Szenerie wie nicht von dieser Welt erscheinen. War ich noch in Franken? Oder schon in der Anderswelt? Und wenn ja (egal welches ja): Macht das einen Unterschied? Hatte ich hier eine Aventiure zu bestehen? Gab es irgendwelche Jungfrauen zu retten? Oder war das nur ein Virtual Reality Test der fränkischen Einwanderungsbehörde? Das waren meine Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, während der Rest von mir offenen Mundes durch dieses Mies-van-der-Rohe-Wunderland fuhr. Ehrlich gesagt: Die Antwort kenne ich auch jetzt noch nicht.

Denn wenn auch die Architektur und das Ambiente nicht aus unserer Zeit waren, so waren sie doch noch von dieser Welt. Von den Einwohnern konnte man das nicht sagen. Jedenfalls jene, die ich schließlich am Ende der Straße erblickte. Drei Gestalten, den Rücken mir zugewandt, schlurften dort entlang. Auf den ersten Blick konnte ich nicht genau erkennen, wie groß sie waren. Irgendetwas mit ihren Proportionen schien nicht ganz zu stimmen. Entweder hatte der Hund, den sie an einer Leine bei sich führten, die Ausmaße eines Kalbes oder die drei Männlein waren zwergenwüchsig. Dass keines von beiden zutraf, merkte ich erst beim Näherkommen. Weder sie noch ihr Boxerrüde waren über die Maßen mutiert. Vielmehr verlieh ihre kauernde Haltung ihnen eine gnomenhafte Aura. Zusammen mit den faltigen, viel zu groß geratenen Hosen und den weißen Häubchen ihrer Kapuzenpullover erinnerten sie mich irgendwie an meine Kindheit. Ich bremste und fragte: "Heda, ihr lustigen Gesellen. Könnt ihr mir wohl sagen, welch Fluch auf diesem seltsamen Landstrich lastet, dass kein Mensch - weder Magd noch Knecht - zu sehen ist?" Die drei drehten sich mürrisch um. Und als der Anführer meine Frage mit einem genuschelten: "Jomassafagga. Dissismaihud. Eimdamassafaggingpimphia. Woddajawondmassafagga?" beantwortete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich war bei den Schlümpfen gelandet. Die Kleidung, die Kapuzen, die simplifizierte Grammatik, dazu die durch chronisches Klebstoffschnüffeln zyanotische Haut. Auch fiel, wie ich mir die drei Gesellen so besah, die Vorstellung nicht schwer, dass sich hinter ihnen drei kleine, weiße Stummelschwänzchen verbargen. Und sagte der Wortführer nicht, er sei der Pimp? Für mich klang das ganz nach der fränkischen Variante des bekannteren "Schlumpfs". Da mir die Feinheiten der lokalen Schlumpfsprache noch unklar waren, versuchte ich es mit einer klassischen Ich-Tarzan-Du-irgendwas-Eröffnung: "Jomazzafakka, ich pimp, du pimp, alle pimp. Allmechd un Dunnakail. Iä säids jo Schlimpfä."

Das aber war ein Fehler. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden. Vielleicht hätte ich mich auch mit meinem angelesenen Fränkisch aus Ulis Sprachführer zurückhalten sollen. Auf jeden Fall lief mein Konversationspartner schlagartig tiefblau an und schrie los: "Eimdapimp. Eimdapimp. Ganz alaa i bin da Pimp dou." Immerhin waren seine Kollegen so freundlich, sich einer allgemeiner verständlichen Sprache zu bedienen, indem sie diverse Schlagwerkzeuge aus den Tiefen ihrer Hosen hervorzogen. Auch wenn ich eigentlich noch gerne im Schlumpfland geblieben wäre, war das dann doch das Zeichen zum Aufbruch. Und während die Schlümpfe, oder vielmehr die Pimps, mir noch einige Abschiedsworte hinterher riefen und ihr Köter mich bellend begleitete, blieb die verzauberte Siedlung hinter mir zurück und der Wald nahm mich schützend wieder auf.

Im Nachhinein betrachtet hatte ich wahrscheinlich einfach das Pech, an drei Griesgramschlümpfe geraten zu sein. Vielleicht sollte mich beim nächsten Besuch zuerst an den Oberschlumpf wenden und ihm Grüße von der Außenwelt überbringen. Bis es aber soweit ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Denn vorher brauche ich eine zuverlässige Übersetzung von "Bringt mich zu euerm Anführer, ihr Mutterficker" auf Pimpisch.

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Freitag, 10. März 2006
Angekommen im ... Auenland?
Nun denn. Hier bin ich also. Im frei gewählten Exil irgendwo nördlich der Donau. Die Gegend ist ungewohnt. Nicht feindlich, einfach nur anders. Um mir selbst einen Überblick zu verschaffen und den Daheimgebliebenen einen Eindruck von diesem Landstrich und seinen Bewohnern zu vermitteln, versuche ich mich an einem Blog. Bis ich die ganzen Klickibunti-Feinheiten drauf habe, wird sicher noch einige Zeit vergehen. Bis dahin gibt's erst mal Rohkost-ASCII.

Also, wo bin ich hier? Gar nicht so einfach zu beantworten. Wetter- und landschaftsmäßig irgendwo im südlichen Skandinavien. Schnee, Eis, viel Wald, wenig befahrene Straßen, die hin und wieder als vereiste Pisten durch besagte Schneewälder führen. Hat was - und könnte wirklich Schweden sein. Auch die Mentalität der Autofahrer würde dazu passen. Alles a weng gemütlicher als in der Landeshauptstadt. Selbiges gilt auch für die Einwohner. Alle freundlich und zuvorkommend. Wohnen meist in alten, aber gut erhaltenen Fachwerkhäusern und sprechen eine Sprache, die zu ihnen passt. Weich, die Worte verfließen ein wenig ineinander und hinterlassen im Gehörgang den Eindruck von Lenor. Nicht unbedingt wegen der Frühlingsfrische, sondern aufgrund des Weichspüleffektes. Alles in allem ziemlich knuddelig - eben ein bisschen auenlandmäßig. Vielleicht sollte mir das zu denken geben. Auf die Dauer kann soviel Knuffigkeit nicht gesund sein. Immerhin habe ich bisher hier noch kein lautes oder gar böses Wort zu hören bekommen. Nicht einmal in der U-Bahn gibt es die üblichen verwirrten Murmler, die begraben unter ihren Plastiktüten seltsame Zeichen an der Scheiben malen und auf die Viren schimpfen, die ihnen überall auflauern. Auch Freizeitmönche, die selbst im tiefen Winter barfuß in Jesuslatschen und Jutesack Die S-Bahnen zwischen Pasing und Wolfratshausen besiedeln gibt's nicht (logisch, Pasing ist weit weg, Wolfratshausen erst recht). Das macht mir schon ein bisschen Sorgen. Vielleicht habe ich bisher einfach nur an den falschen Stellen gesucht. Mal sehen. Am Wochenende wird erst einmal der Hauptbahnhof durchsucht. Und wenn ich dann keinen halbwegs normalen Irren finde, stelle ich mich vielleicht selbst in einen der U-Bahnhöfe und kreische mit den einfahrenden Zügen um die Wette. Wird Zeit den Hobbits mal ein bisschen Großstadtflair zu vermitteln.

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